Ansprache von Staatsrat Dr. Nikolas Hill

UnknownGrußwort von Staatsrat Dr. Nikolas Hill „Enthüllung einer Infotafel zur Erinnerung an Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter in Altona“
am Freitag, 3. Mai 2013, 12:00 Uhr Griegstraße 75, Bahrenfeld

Sehr geehrter Herr Artus,
Sehr geehrte Vizepräsidentin der Bürgerschaft, Frau Artus,
Sehr geehrter Herr Hollmann,
sehr geehrte Damen und Herren,

zu der Geschichte unserer Stadt im Nationalsozialismus gehört die bedrückende Tatsache, dass während des Krieges nicht nur im KZ Neuengamme und seinen Außenlagern etwa 100.000 Männer und Frauen aus ganz Europa schwerste Zwangsarbeit verrichten mussten. In allen Stadtteilen gab es Lager für Frauen, Männer und sogar Kinder – vor allem aus den osteuropäischen Ländern – die aus ihrer Heimat mit Gewalt verschleppt worden waren, in Hamburg zur Arbeit gezwungen wurden und denen schweres Leid zugefügt wurde.

Wir stehen hier auf dem Gelände der ehemaligen Wollgarnfabrik Tittel & Krüger/Sternwoll-Spinnerei AG in Bahrenfeld, auf dem sich während des Zweiten Weltkrieges ein Lager mit 128 Zwangsarbeiterinnen und 96 Zwangsarbeitern befand. In unmittelbarer Nähe gab es weitere Lager mit insgesamt vielen hundert Männern, Frauen und sogar Kindern, die in der umliegenden Industrie zur Zwangsarbeit unter unmenschlichen Bedingungen eingesetzt waren.

Um dies nicht zu vergessen, sind hier nun eine Wandskulptur der Künstlerin Cornelia Dusür und eine Informationstafel von der Historikerin Birgit Gewehr angebracht worden, die ab dem heutigen Tag für jedermann sichtbar eine Mahnung darstellen sollen und werden.
Dank der Forschungen von Frederike Littmann wissen wir von über 1200 Lagern, die es insgesamt in Hamburg gab, mit bis zu 500.000 Insassen aus der Sowjetunion, Polen und allen weiteren besetzten Ländern Europas.
Die Kriegswirtschaft funktionierte in Hamburg wie andernorts nur noch über Zwangsarbeit. Wohl jede Firma und Handwerksbetrieb nutzte spätestens ab dem Jahr 1944 Zwangsarbeiter. Das gilt auch für öffentliche Betriebe wie die Müllabfuhr und sogar für etliche Privathaushalte.

Nach Kriegsende wurden diese Tatsachen vergessen und verdrängt; sie passten offenbar nicht in das Image einer liberalen weltoffenen Handelsstadt. 1983 erschien dann erstmals in einem Sammelband ein Aufsatz von Frederike Littmann über Zwangsarbeit in Hamburg.

An dieser Stelle möchte ich besonders das frühe Engagement des Stadtteilarchivs Ottensen hervorheben. Bereits 1985 thematisierte das Stadtteilarchiv in einer seiner ersten Veröffentlichungen Zwangsarbeit in der hiesigen Metallindustrie.
Sie erinnern sich vielleicht noch an die Auseinandersetzungen um die Entschädigung von Zwangsarbeit um die Jahrtausendwende. Der Bundestag beschloss schließlich, im August 2000, die Gründung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“.

Der Hamburger Senat unterstützte die Bemühungen um die Entschädigung, indem er im September 2000 die finanzielle Beteiligung aller öffentlichen Unternehmen am Entschädigungsfond beschloss und in der privaten Wirtschaft dafür warb. Um ein besonderes Zeichen zu setzen, kamen Senat und Bürgerschaft Ende 2000 überein, ein Besuchsprogramm für ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter einzurichten und jährlich bis zu 50 ehemalige Zwangsarbeiter vornehmlich aus den osteuropäischen Ländern nach Hamburg einzuladen.

Im Rahmen dieses Besuchsprogramms haben auch zwei Ukrainer, die als kleine Kinder hier in Bahrenfeld in dem Lager der Sternwoll-Spinnerei untergebracht waren, diesen Ort besucht und ihre Erinnerungen zu Protokoll gegeben.

Die Erinnerungs- und Versöhnungsarbeit erfolgte zwar spät; sie war und ist dem Senat aber ein wichtiges Anliegen.

Deshalb ist das Engagement der Beschäftigten der hier ansässigen Firmen sowie der Elbe-Werkstätten und der Tabita-Kirchengemeinde besonders wertvoll, an diesem authentischen Ort an die Zwangsarbeit in der Sternwoll-Spinnerei zu erinnern.

Verdrängte Geschichte wird mit dieser Wandskulptur und der Informationstafel sichtbar gemacht und ein Zeichen gesetzt, das letztendlich auch ein politisches ist, gegen das Vergessen. Dass das eine unschätzbar hohe Relevanz hat, wissen wir nicht erst seit der Einweihung des Bergedorfer Zwangsarbeiter-Mahnmals im Herbst letzten Jahres, als die im Rahmen des Hamburger Besuchsprogramms eingeladenen polnischen Gäste mit Pfefferspray angegriffen wurden und der rechtsradikale Hintergrund des Anschlags offensichtlich war. Umso wichtiger sind diese Zeichen aktiver Erinnerung, zu denen von nun an das heute hier eingeweihte Relief zählt und von denen es in Altona bereits mehrere gibt.

Vor wenigen Wochen, am 27. Januar, wurde auf Initiative einer Arbeitsgruppe des Kulturausschusses der Bezirksversammlung Altona am Technischen Rathaus eine Informationstafel in Erinnerung an die Zwangsarbeiter im Lager Norderstraße eingeweiht. Eine weitere Tafel mit Informationen über zwei Zwangsarbeiterlager in der „Moortwiete“ existiert bereits seit April 2007 am Haupteingang der Max-Brauer-Schule; dafür hatten sich Schülerinnen und Schüler eingesetzt. Diese drei Projekte widerspiegeln zugleich eine Vielfalt bürgerschaftlichem Engagements.
Ganz ausdrücklich danken möchte ich der Initiative zur Erinnerung an Zwangsarbeit und allen Unterstützerinnen und Unterstützern, wie den ELBE-Werkstätten im Friesenweg, dem Sportverein Altona 93, der evangelischen Kirchengemeinde, der Hollmann & Partner Vermögensverwaltung und den Beschäftigten von LIBRI, SAM und MOPO!

Herzlichen Dank

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