Frieda Beer – eine jüdische Zwangsarbeiterin in der Sternwoll-Spinnerei bis 1941

Es werden viele jüdische Frauen gewesen sein, die bis zu ihrer Deportation ab 1941 als Zwangsarbeiterinnen in so genannten Judenkolonne u.a. in der Sternwoll-Spinnerei in Hamburg Othmarschen arbeiten mussten. So auch die damals 17 jährige Frieda Beer aus der Bartelsstraße 72 im Hamburger Schanzenviertel. 

Immer wieder finden sich neue Namen der jüdischen Zwangsarbeiterinnen aus der Sternwoll-Spinnerei oder der Wollkämmerei AG in Hamburg-Wilhelmsburg, die beide zur damaligen Sächsische Wollgarnfabrik Aktiengesellschaft, Tittel & Krüger in Leipzig, gehörten. Leider stolpert man über diesen Name wie die von Frieda Beer oder Hedwig Cohn immer nur im Zusammenhang mit einzelnen Wiedergutmachungsakten. Im Staatsarchiv liegen die Unterlagen des Hamburger Arbeitsamtes aus der NS-Zeit, sie sind aber bis Mitte der 2060er Jahre mit einer Schutzfrist versehen, so dass man sie sich nicht einsehen kann.

Die Beers wohnten seit 1936 in der Bartelsstraße 72

Die Familie Beer wohnte seit 1936 in der Bartelsstraße 72, im Haus 3. Das lässt vermuten, dass es hier mehrere Hinterhäuser gab, wo heute auch ein Teil der Schulgebäude der Ganztagagrundschule Sternschanze steht. 

Die Mutter von Frieda war Anna Frieda Sambor und in Warschau geboren. Ihr Vater, Eduard Beer,  kam aus Hamburg. Beide waren 1893 geboren. Sie hatten sechs gemeinsame Kinder, Anna hatte noch eine Tochter aus einer vorangegangenen Beziehung. Ilse Sambor, (geb. 16. April.1919), Martin Beer (geb. am 8. Dezember.1924), Lotte Beer  (geb. am 4. Juli.1927), Siegfried Beer (geb am 13. Februar 1929), Moritz (geb. am 8. Januar 1922) und Ruth (geb. am 15. Mai 1923). 

Über Frieda Beer

Frieda Beer wurde am 24. Januar 1926 wie alle ihre Geschwister in Hamburg geboren und besuchte die Israelitische Töchterschule in der Karolinenstraße 35. Nach ihrem Schulabschluss 1940 durfte sie als Jüdin keine Ausbildung anfangen. Dafür setzte sie das Arbeitsamtes als Zwangsarbeiterinnen in einem „arischen“ Unternehmen, der Sternwoll-Spinnerei ein. Ihr Bruder, Moritz Beer erinnerte sich später: „Wenn ich mich recht erinnere, war sie in einer Baumwollspinnerei als ungelernte Kraft tätig.“

Quelle: Staatsarchiv Hamburg 351-11_48681

Was genau sie und die anderen jüdischen Zwangsarbeiterinnen wie Hedwig Cohn genau machen mussten, ist zur Zeit leider nicht bekannt. Die damalige Sternwoll-Spinnerei gibt es seit den 1960er Jahren nicht mehr. In vorliegenden Bröschüren und Unterlagen des Unternehmens nach 1945 befassen sich des nicht mit  mit dem Thema der Zwangsarbeit. Dabei wurden vermutlich hier ab 1940 Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter bis 1945 eingesetzt. Erst die jüdischen Frauen 1940/1941 und 1942, dann ab 1942 sowjetische, polnische, französische und ab 1943 Italienische Militärinternierte. Auf dem Fabrikgelände gab es ein eigenes Barackenlager bis 1945.

1941 verschleppt nach Lodz/Litzmannstadt

Frieda Beer, ihre Eltern und Geschwister wurden am  25. Oktober 1941 in Getto nach Lodz deportiert, eine polnische Großstadt und ein Zentrum der Textil- und Bekleidungsindustrie. Lediglich ihre Schwester Ruth war 1939 nach Palästina geflohen.

Nach dem Überfall auf Polen im September 1939 hatten die deutschen Besatzer die Stadt in Litzmannstadt umbenannt, zu Ehren eines preußischen Generals und Nazis, und einen Teil der Stadt als Ghetto abgeriegelt. In dieses katas­trophal überfüllte Gebiet wurden in den folgenden Jahren alleine aus dem Alt-Reich Zehntausende von Juden gepfercht. Hinzu kamen Zigtausende aus Polen und Tschechien. Auf einer bebauten Fläche von 2,5 Quadratkilometern drängten sich zeitweise über 150.000 Menschen. Es war nichts Außergewöhnliches, wenn acht, zehn oder mehr Menschen in einem einzigen Zimmer und ohne Küche versuchen mussten zu überleben. Die Häuser waren meist ohne Wasser und Kanalisation. Tausende der Eingesperrten erfroren schon im ersten Winter 1941/42, verhungerten, gingen an den hygienischen Zuständen zugrunde oder fielen sonst harmlosen Krankheiten zum Opfer.

Die Familie Beer lebte gemeinsam in Lodz in der Hausierergasse (heute Flisacka) 1, Wohnung 1A. In einer noch vorhandenen Liste in Lodz ist die Adresse mit Tintenstift eingetragen und überschrieben Hohenstein(straße) 49/1a. Die Eltern und die Kinder Martin, Frieda, Lotte sowie Siegfried wurden am 10. Mai 1942 vom Getto Lodz in das Vernichtungslager Chelmno transportiert und dort ermordet. 

Moritz Beer war bereits am 7. November 1942  wurde mit dem XX. Transports (Nummer 1328) von Lodz ins Arbeitslager Remo nach Posen deportiert; von dort ins KZ Auschwitz, Unterlager Fürstengrube. Er überlebte den Holocaust. Ruth Beer war bereits 1939 nach Palästina geflohen. Ihre Schwester, Ilse Sambor, war am 28. Oktober 1938 in der ersten Deportation  ins Niemandsland an der deutsch-polnisches Grenze, nach Zbaszyn, verschleppt. Seit dem galt sie als verschollen. Sie soll in einem jüdischen Waisenhaus in Hamburg aufgewachsen sein. Seit April 1938 wohnte sie bei ihrer Mutter und ihren Geschwistern in der Bartelsstraße 72. 

Ungesichtere Arbeitsamt Unterlagen im Staatarchiv

Quelle: Staatsarchiv Hamburg

Bis heute sind die Unterlagen des Arbeitsamt Hamburg beim Staatsarchiv für die NS-Zeit nicht erschlossen. So, als wenn man die Aufklärung dieses Kapitel der Verfolgung der jüdischen Menschen (in Hamburg) verhindern will, besteht für diese Unterlagen aus der NS-Zeit eine Schutzfrist bis in due 2060er Jahre. Damit sind die Unterlagen nicht öffentlich zugänglich. 

Vor der heutige Bartelsstraße 72 erinnern Stolpersteine an die Familie Beer.

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